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Block Salt - Eine spanische Antwort auf die Immobilienkrise

 

SPANIEN Am Freitag den 13. Dezember 2013. wurde ein von 43 Erwachsenden und Kindern besetzter Wohnblock in der 100km nördlich von Barcelona gelegenen Stadt Girona geräumt. Für die Familien ist die Situation einer Räumung nichts neuen. Sie hatten hier ein neues Zuhause gefunden, nachdem sie aus ihren vorherigen Wohnungen rausgeworfen wurden. 265 Tage kämpften sie zusammen mit der „Platform der Hypothekenbetroffenden“ (PAH) dafür, dieses Dach über ihrem Kopf behalten zu können.

Was wie ein schlechter Witz erscheint, ist leider bittere Realität die einmal mehr beweist, dass das Eigentumsrcht über dem Recht eines würdigen Lebens steht.

Viele Tränen flossen an diesem Freitag den dreizehnten als die BewohnerInnen, UnterstützerInnen und AktivistInnen der PAH vor der Reihe von maskierten PolizistInnen standen, welche den gesamten Block nach deren Räumung umstellt hielten. Keimte doch gerade in ihnen nach dem Entschluss des Parlamentes, soziale Mieten für die Wohnungen des Blockes zu schaffen, die Hoffnung wieder auf, hier wohnen bleiben zu können.

Anfang Mai diesen Jahres zogen 22 Erwachsene und 21 Kinder, die wegen einer Verschlechterung ihrer ökonomischen Situation ihre vorherigen Wohnungen verloren hatten, in den seit drei Jahren leerstehenden Wohnblock ein. Familien aus Gambia, Marokko und verschiedenen Spanischen Provinzen; Atheisten, Juden, Christen und Moslems lebten hier unter einen Dach. Einige von Ihnen konnten ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen, andere wurden wegen Mietschulden aus ihren Wohnungen geworfen.

So unterschiedliche Geschichte die einzelnen Ex-BewohnerInnen auch haben, sie alle sind durch Arbeitslosigkeit zahlungsunfähig geworden und konnten die Kosten für ihre Wohnung nicht mehr zahlen.

Seit Beginn der Wirtschaftskrise in Spanien 2008 ist die Arbeitslosenquote rasant von 8% auf 27% gestiegen. Jedoch wird in Spanien maximal zwei Jahre Arbeitslosengeld gezahlt, welches sich zwischen 50% und 60% des letzten Gehaltes bewegt. Eine soziale Grundsicherung wie das deutsche Harz IV oder wenigstens Hilfen wie Wohngeld gibt es in Spanien nicht.

Viele Familien wurden durch Arbeitslosigkeit in den finanziellen Ruin getrieben und Zwangsräumungen sind trauriger Alltag in Spanien geworden. Schätzungsweise 250.000 Familien verloren seit 2008 ihre Wohnung.

 

Im März diesen Jahres haben AktivistInnen der PAH den leerstehenden Hausblock in einer Neubauzone am Rande des Bezirkes Salt der Stadt Girona besetzt. Auf diesen Weisen sollte ursprünglich ein ganzes neues Viertel mit Luxuswohnungen entstehen. Gebaut wurde nicht einmal die Hälfte, verkauft ein kleiner Bruchteil der Wohnungen. Und nicht vollendete, zum Teil einsturzgefährdete Rohbauten ragen wie Denkmäler der Krise aus dem Brachland.

Als die AktivistInnen das Gebäude öffneten, war die oberste Etagen wegen eines Dachschadens unbewohnbar. Nachdem Strom und Wasser angezapft wurde, begannen die Reparaturarbeiten. Es wurde unter anderem auch ein kollektiver Gemüsegarten angelegt und Anfang Mai zogen die ersten BewohnerInnen ein.

Hier hatte die Krise die Menschen enger zusammen rücken lassen und es entwickelten sich Formen des Zusammenlebens, wie sie viele vorher nicht kannten.

„Ich lebe jetzt 10 Jahre in Spanien,“ erzählte der 29 Jährige marokkanisch stämmige Aziz, der nach mehreren Monaten Obdachlosigkeit im „Block Salt“ ein neues Zuhause gefunden hatte. „Doch ich habe hier bisher noch nie so eine Lebensgemeinschaft gesehen, wie wir sie jetzt hier haben.“ Es wird gemeinschaftlich Lebensmittel besorgt und oft zusammen gekocht und gegessen. Die Kinder und Eltern bekamen Unterstützung von allen Familien, der Garten wurde gemeinschaftlich bewirtschaftet. Haushaltsgegenstände wandern von eine in die andere Wohnung. Regeln des Zusammenlebens werden zusammen definiert und kontrolliert. „Wir leben hier wie du im Haus deiner Familie wohnst. Wenn du etwas hast, teils du es und in der gleichen Art teilen sie mit dir. Egal ob du schwarz oder weiß, Moslem oder Jude bist. Du bist, was du bist. Hier gibt es weder Chefs noch Arbeiter. Hier sind wir alle gleich.“

Einfach und unbesorgt waren die acht Monate leben in den Block für die Familien jedoch nicht. Zu der ständigen Ungewissheit, wie lange sie noch im Haus bleiben können, gesellten sich Probleme wie das Fehlen von Heizung und Warmwasser im Winter. Die ökonomische Situation der BewohnerInnen ist sehr angespannt und die Strom- und Wasserversorgung wurde immer wieder unterbrochen.

Eine Bewohnerin erzählte, dass das letzte Mal als der örtliche Wasserversorger ihnen das Wasser abdrehte der Schacht mit dem Haupthahn des Hauses anschließend mit Beton zugeschüttet wurde um eine erneute Öffnung durch die BewohnerInnen zu verhindern. „Also mussten wir den Schacht mit Hammer und Meißel wieder freilegen um erneut Wasser im Haus zu haben.“

 

Eigentümer des Gebäudes ist die zu 45% staatliche „Bad Bank“ SAREB ,welche die spanische Regierung 2012 gründete um „toxische Aktiva“ der spanischen Banken auszulagern und diese Stück für Stück zu verkaufen. Von den schätzungsweise 3 Mio. leerstehenden Wohnungen in ganz Spanien wickelt die SAREB rund 55.700 ab, welche nach eigenen Angaben hauptsächlich an internationale Investorengruppen verkauft werden.

Eine soziale Verantwortung an der Wohnungssituation lehnt die Bank kategorisch ab. „Unser Auftrag ist der Verkauf der uns übertragenden Aktiva. Wir sind weder Vermittler noch Kanal um das Wohnraumproblem zu lösen.“, sagt ein Sprecher der SARB gegenüber der Presse.

Die Bank reichte eine Räumungsklage wegen „illegaler Nutzung“ ein und den ersten Räumungstermin legte das Provinzgericht Girona auf dem16.10. fest. Die PAH mobilisierte auf nationaler ebene rund 600 Menschen, die in der Nacht vom 15. zum 16.10. die BesetzerInnen unterstützten und so eine Räumung verhindern konnten. Neben AktivistInnen der PAH und linken Parteien und Gruppen wurde der Block auch von gewerkschaftlichen, studentischen und einer über 60 Personen umfassenden Solidaritätsbrigade der Feuerwehr unterstützt.

Am selben Tag sprach sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen eine Räumung des Blocks, ohne den Familien eine alternative Wohnung zu stellen, aus.

 

Die PAH verabschiedete sich jedoch nach der erfolgreich verhinderten Räumung von der Forderung nach Erhalt des besetzten Blockes und beschloss lediglich, die Familien individuell bei den Verhandlungen mit den lokalen Behörden über eine Notunterkunft zu unterstützen. Einzelne Familien unterzeichneten Verträge, während andere leer ausgingen.

Offiziell begründete die PAH ihr Abrücken von der Forderung nach Erhalt des Blockes damit, dass ihnen das Wohl der Familien und der Kinder am Herzen liegt und sie Angst hätten, diese könnten bei einer Räumung auf der Straße landen. Dass sie jedoch nicht einmal eine Unterbringung aller BewohnerInnen kollektiv verhandelten, sondern den einzelnen Familien lediglich beratend bei ihren Verhandlungen zur Seite standen, zeugt von der Zersplitterung der BewohnerInnen und vor allem der PAH welche auch strukturelle Ursprünge hat.

Die aus der 15M Bewegung hervorgegangen PAH sieht sich als horizontal, gewaltlos, aniparteilich funktionierende Plenumsbewegung, die sich für das Recht auf eine würdige Wohnung einsetzt. Unter den AktivistInnen befinden sich ÄrztInnen neben ArbeiterInnen, MinijobberInen neben Bankangestellten, Arbeitslose neben PolizistInnen, wobei der größte Teil der AktivistInnen aus der Mittelschicht stammt, die sich vor einigen Jahren teure Hypotheken leisten konnten, durch die Krise jedoch in Zahlungsunfähigkeit geraten sind. Ursprünglich setzte sich die Bewegung lediglich für die Rechte derjenigen ein, die Probleme haben ihre Hypothek zu bezahlen. Doch mittlerweile wenden sich immer mehr lokale Gruppen auch denjenigen zu, denen der Verlust ihrer Mietwohnung droht.

In ganz Spanien existieren 196 PAH-Gruppen, die meisten von ihnen in Katalonien. Die einzelnen Gruppen der Plattform stehen in Kommunikation zu einander und unterstützen sich gelegentlich bei einigen Aktionen.

In den für jedeN offenden Plena werden jedoch nur selten Entscheidungen getroffen, sondern vielmehr eine kostenlose Rechtshilfe angeboten und Aktionstermine bekannt gegeben. AktivistInnen meinen, dass in diesen Plenum keine offene Diskussion stattfinden kann, da ja auch ZivilpolizistInnen anwesend sein können (was auch regelmäßig der Fall ist). Die Koordination, welche theoretisch allen offen steht, kümmert sich um die Koordinierung der Aktivitäten und hier finden auch einige Diskussionen und Abstimmungen statt. Die faktische Leitung – der so genannte „innere Kreis“ und der/die SprecherIn - wird jedoch oft nicht gewählt sondern vielerorts mit Personen besetzt die ihre Position aus „Gewohnheitsrecht“ innehaben oder von anderen Mitgliedern „ernannt“ werden. Diese Inneren Kreise bilden oft geheime Arbeitsgruppen, deren Handeln teils sogar den SprecherInnen oder dem Inneren Kreis verborgen bleibt und selbst Verhandlungen mit den Autoritäten werden oft geheim geführt.

Durch fehlende demokratische mittel trug die PAH Girona interne Probleme mit deren Sprecherin über die Lokalzeitungen aus, was fatale Folgen für die Plattform hatte und den Kampf entschieden schwächte. PAH Gruppen einiger anderer Städte drohten die Kooperation wegen Personalfragen zu beenden. Die PAH-Girona antwortete auf die Personalvorwürfe nicht mit einer Neuwahl der SprecherIn, sondern setzte vier weitere, gleichberechtigte SprecherInnen ein.

Die eigene innere Schwäche und die entzogende Unterstützung anderer Gruppen waren wohl die eigentliche Ursachen, warum die PAH die Verteidigung des Hauses absagte und lediglich versuchte den Schaden für die BesetzerInnen zu begrenzen.

 

Die Auswirkungen dieser Defensive hatten jedoch fatale Folgen.

Am 13.12.2013 wurde der besetzte Block durch Polizeikräfte geräumt. Doch haben von den 43 Erwachsenen und Kindern, die in dem Block lebten, lediglich 27 eine Ersatzwohnung bekommen. Die restlichen 16 (Darunter 7 Minderjährige) landeten auf der Straßen. Nun jedoch ohne ein Druckmittel für weitere Verhandlungen in der Hand zu haben.

Selbst für die PAH kam die Räumung überraschend. Verabschiedete das Parlament von Katalonien doch lediglich vier Tage vorher einen Antrag, nach welchem die SAREB unter anderen Immobilien auch den „Block Salt“ der Staatlichen Agentur für Wohnraum (Agència Catalana d'Habitatge, ACH) zu Verfügung stellen soll.

Diese Agentur vergibt leerstehende Wohnungen der Banken an ausgewählte Wohnungslose zu Mieten zwischen 50€ und 250€/Monat und bezahlt den Banken die Differenz zu den ortsüblichen Mieten. Die Verträge sind auf zwei Jahre befristet und die Banken halten sich das Recht vor, den Vertrag vorher zu kündigen, falls sie einen Käufer für die Wohnung finden. Unter den selben Regime stehen auch die Verträge der Ersatzwohnungen, welche die 5 Familien des Blocks unterschrieben haben. Die SAREB hätte also auch noch ein schönes Geschäft mit den „Sozialen Mieten“ gemacht.

Den Parlamentsbeschluss feierte die PAH als großen Sieg und bedankte sich in einer Presseerklärung vom 9.12. für die Unterstützung der Abgeordneten in Worten und Taten. Sie helfen der PAH damit „Brücken des Vertrauens zwischen den Bürgern und der Welt der Politiker auf zu bauen.“

Taten folgten diesem Beschluss jedoch nicht. Und sowohl der SAREB als auf der Politik waren Gewinne und Verluste offensichtlich nicht so wichtig, wie ein Exempel zu statuieren. Der Fakt das in Spanien 3 Millionen Wohnungen leer stehen, immer mehr Familien auf der Straße leben ist für die Politik und Wirdschaft offensichtlich kein Widerspruch. Geht es ihnen doch um die Verteidigung des Privateigentums. Und wenn ein Eigentümer entscheidet seine Häuser leer stehen und verfallen zu lassen, unterstützt der Staat sie dabei. Auf wessen rücken diese Politik ausgetragen wird ist klar.

Einige der auf die Straße gesetzten Ex-BewohnerInnen des Block Salt haben nun Zelte in ihrem ehemaligen Garten aufgestellt, wo der Großteil von ihnen auch die kalten Nächte verbringt. Auf der anderen Seite der Mauer gehen 5 Angestellte eines privaten Sicherheitsdienst auf und ab, die kontrollieren, dass keiner den zugemauerten Block erneut betritt. Und der ehemalige Besetzer Aziz wurde ohne ofizielle  Gerichtsverhandlung über seine Abschiebung nach Marokko abgeschoben wobei er keine persönlichen Sachen außer seine Kleidung die er trug mitnehmen durfte. Da er jedoch als "verlierer" aus Europa wiederkommt - ohne ein einziges Geschenk für siene Familie - fürchtet ehr die Echtung durch die Dorfgemeinschaft.

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